Es war schlussendlich doch die Tournee des Ryoyu Kobayashi, der sich nach seinem Tagessieg in Bischofshofen als erst vierter Springer in der Geschichte dieser Traditionsveranstaltung den Grand Slam (Sieg in allen vier Springen) gesichert hatte. Dabei hatte es nach Durchgang eins entlang der Paul-Außerleitner-Schanze gar nicht danach ausgesehen, schien der überlegene Gesamtführende in der Vierschanzentournee auf dem Weg zum Grand Slam doch ausgerechnet in der letzten Etappe zu straucheln. Denn Markus Eisenbichler, der extrovertierte Bayer, lag vier Punkte voraus, das nährte die Spekulationen.
Im Finale war es dann jedoch wieder so wie in Oberstdorf, Garmisch und Innsbruck: Der 22-Jährige hob ab und die Konkurrenz „schwächelte“. Mit 13,8 Punkten Vorsprung sollte er als erster Japaner in Bischofshofen gewinnen, 62,1 Punkte lagen in der Gesamtwertung zwischen ihm und dem Zweiten.
„Einfach unglaublich“, waren die ersten Worte des Senkrechtstarters, der als Erster seines Landes nach Kazuyoshi Funaki (1997/98) wieder den Traditionsbewerb gewinnen konnte und als Dritter nach Sven Hannawald (GER, 2001/02) sowie Kamil Stoch (POL, 2017/18) vier Tagessiege feiern durfte. Weniger euphorisch war das Interview im Anschluss, Kobayashis nüchterne Statements haben mittlerweile Kultcharakter. Dass sein Teamchef, der 46-jährige Noriaki Kasai, als Erster zum Gratulieren gekommen sei, habe ihn „sehr glücklich“ gemacht.
Ein Stein vom Herzen fiel einmal mehr Stefan Kraft. Der Drittplatzierte von Oberstdorf und Zweitplatzierte von Innsbruck landete als Dritter erneut auf dem Stockerl, was der Salzburger „megageil“ fand, dennoch fügte er scherzhaft an: „Ich habe nachgefragt, ob es die Tournee auch mit Streichresultat gibt.“
Zum Streichen war die Tournee indes weder für ihn noch für Andreas Felder, den österreichischen Cheftrainer: „Wir haben gewusst, dass es eine schwierige Tournee wird. Aber es war ein feiner Abschluss, leider hat es für die Gesamtwertung nicht gereicht.“ Mit den drei Podestplätzen musste Felder letztlich zufrieden sein, auch wenn neben Kraft lediglich Daniel Huber (Neunter der Gesamtwertung) einigermaßen den Erwartungen zu entsprechen vermochte.
Doch der Reihe nach – Knackpunkt für Kraft war natürlich der Absturz in Garmisch Partenkirchen, genauer: der Rückfall vom Podest in Oberstdorf auf den vorletzten Platz auf der von ihm eher ungeliebten Olympiaschanze. Als er mit Tränen in den Augen das Stadion verließ, warteten die späteren Erstplatzierten des Neujahrsspringens Ryoyu Kobayashi (1.), Markus Eisenbichler (2.) und Dawid Kubacki (3.) noch auf ihren Auftritt im ersten Durchgang. Der ansonsten eher locker gestimmte 25-Jährige wollte nur zurück ins Teamhotel in die Leutasch.
Der Schmerz über den Absturz saß so tief, da musste er nicht noch miterleben, wie der Japaner als Weltcupführender und der Bayer am Ende der stimmungsvollen ausverkauften Veranstaltung nur noch als Duo im Zweikampf um die Tournee-Gesamtwertung im Rennen waren. Was war passiert? Kraft hatte prompt den fatalen Fehler vom Vorjahr wiederholt und war erneut „zu viel Risiko eingegangen“. „Das hat er teuer bezahlen müssen“, meinte auch Cheftrainer Andreas Felder.
Es war überhaupt nicht der Tag der Österreicher, dieser 1. Jänner 2019. Drei von Krafts Kollegen rundeten die Misere ab, scheiterten in der Qualifikation. Nur Daniel Huber und der Innsbrucker Manuel Fettner (28.) qualifizierten sich für den zweiten Durchgang. „Ein Skispringen zu verlieren ist nun einmal kein Weltuntergang“, sagte Mario Stecher, der wie Felder betonte, dass er schon beim Antritt seines Jobs gewusst hatte, dass die Saison so verlaufen würde. Einen Schritt vor, einen Schritt zurück. „Es fehlt uns einfach die Sicherheit und Konstanz. Und da ist noch ein Mordsstück Arbeit“, untermauerte Felder mit Nachdruck.
Arbeit, die schon in Innsbruck belohnt wurde. Auch wenn dort erstmals seit 20 Jahren mit Kobayashi wieder ein Japaner siegen sollte. Aber – mit dem Doppelsieger in den ersten beiden Konkurrenzen war ja zu rechnen gewesen, mit dem Podest-Comeback durch Garmisch-Verlierer Stefan Kraft schon weniger. Und nach Platz zwei am Bergisel sah die Skisprung-Welt schon wieder ganz anders aus: „Das fühlt sich an wie ein Sieg!“ Und nimmt man die sportliche Realität als Maßstab, dass nämlich kein Weg an Innsbruck-Sieger Ryoyu Kobayashi vorbeiführte, war der Salzburger auch wirklich ein Gewinner.
Sein japanischer Konkurrent hatte im Beisein des Übersetzers deutlich weniger zu sagen, aber das sollte keiner falsch interpretieren. 12,8 Punkte oder 7,11 Meter lag der Oberstdorf- und Garmisch-Gewinner vor dem Zweitplatzierten Kraft. Es ist der erste japanische Bergisel-Sieg seit Noriaki Kasai (1999). Und dass er nach Kazuyoshi Funaki (1997/98) die Tournee gewinnen würde, bezweifelte auch Rivale Markus Eisenbichler nicht mehr. Der Bayer bekannte: „Kobayashi ist eine brutale Macht, das muss man neidlos anerkennen. Der ist so weit weg von uns.“
Die Stimmung im Lager der Österreicher? Entspannt! Und der von den Schultern des Cheftrainers Andreas Felder gefallene Fels hörte sich an wie das morgendliche Sprengen der Nordketten-Lawinen. „Der zweite Platz von Stefan hat allen sehr gut getan. Nach Garmisch war es schwierig für die Burschen, aber wir haben versucht, die Stimmung hoch zu halten.“ Die Illusion, sportlich wieder ganz oben angelangt zu sein, teilte Felder nicht. „Zum Kobayashi reicht es nicht, aber irgendwann wird es passen.“