„Ich höre auf!“ Es war die Botschaft, die in der Kletterszene – rund zwei Monate vor der Weltmeisterschaft in Innsbruck – wie eine Bombe eingeschlagen hat. Die zweifache Weltmeisterin Anna Stöhr, die über ein Jahrzehnt die weltweite Boulder-Szene geprägt und beherrscht hatte, musste sozusagen w.o. geben. Weil das Kreuz nicht mehr mitspielte. Karriereende mit 30 Jahren. Und das ausgerechnet vor der Heim-WM.
„Ich hatte letztes Jahr schon Rücktrittsgedanken. Die Titelkämpfe vor der Haustüre waren ausschlaggebend dafür, dass ich weitergemacht habe. Die WM im September 2018 wäre der Abschluss meiner Karriere gewesen, und ich war sehr motiviert, auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Im Februar ist mir dann leider ein Bandscheibenvorfall dazwischengekommen. Bis Juli wollte ich mir Zeit geben, zu entscheiden. Es ist leider eine Tatsache, dass mein Rücken keinen Start bei der WM zulässt, weshalb ich meine Wettkampfkarriere beende“, so die zweifache Welt- und Europameisterin, vierfache Gesamtweltcupsiegerin, Sympathieträgerin und Publikumsliebling.
Mit Anna Stöhr beendet eine der herausragendsten Sportlerinnen der Klettergeschichte ihre Karriere. Die 1988 geborene Kletterin aus der Talenteschmiede des Alpenvereins Innsbruck machte zum ersten Mal 2004 in Lecco auf sich aufmerksam, als sie im Alter von 16 Jahren Vizeeuropameisterin wurde. Sie gehörte damals mit Kilian Fischhuber und Angela Eiter zu einer goldenen Generation, die bald im Wettkampfgeschehen das Feld beherrschte.
Zwei Jahre später feierte Anna in Grindelwald ihren ersten Weltcupsieg. 21 weitere sollten folgen. Es war nur ein Rekord von vielen, den die Tirolerin im Laufe ihrer Karriere aufstellte. Vier Gesamtweltcupsiege, zwei Europameistertitel und zwei Weltmeistertitel: Stöhr hat gewonnen, was es zu gewinnen gibt.
Im Jahr 2013 dominierte sie das Geschehen im Weltcup nach Belieben, ein unschlagbarer Auftritt folgte auf den nächsten.
2014 gab es den für sie wertvollsten Moment ihrer Karriere, und wie so oft war nicht der Titel ausschlaggebend, sondern die emotionale Komponente: Sie und ihr Lebensgefährte Kilian Fischhuber hatten am gleichen Tag den Heimweltcup am Innsbrucker Marktplatz gewonnen, ein Erfolg, den sie mit ihrer Familie, ihren Freunden und tausenden Fans teilen konnte und der ihr deshalb so viel bedeutete.
„Natürlich verspüre ich jetzt eine gewisse Wehmut, weil es endgültig vorbei ist und ich gerne bei der WM dabei gewesen wäre. Es geht ein Abschnitt meines Lebens zu Ende, den ich mir nicht besser hätte erträumen können. Jetzt freue ich mich auf das nächste Kapitel. Ich werde dem Klettersport treu bleiben und vermehrt Projekte am Fels verfolgen.“