Freundin Laura zerdrückte nicht nur eine Träne, Mama Sylvia fasste sich immer wieder an die Stirn, die ÖSV-Trainer lagen sich freudestrahlend in den Armen und die 14.000 Fans in der Planai-Arena waren schlichtweg aus dem Häuschen. Nur einer stand da – und wusste nicht so recht, was in diesen Momenten so geschah.
„Ich kapiere gar nichts“, rang Marcel Hirscher nach Worten. „Ich habe noch nie in meiner Karriere so riskiert wie im zweiten Durchgang. Echt brutal, was sich abgespielt hat seit Jänner. Jeder hat nur noch über den depperten Glasbecher geredet. Das auszublenden, war nicht immer leicht.“
Aber dem 23-jährigen Draufgänger gelang dies in einer Art und Weise, die der Skiwelt Respekt abrang – auch den Allergrößten wie Annemarie Moser-Pröll, Petra Kronberger, Stephan Eberharter oder Alberto Tomba, die Hirscher und dem Rest vom Fest im Hexenkessel Planai ihre Aufwartung machten.
Die Entscheidung hätte auch von den Altmeistern unter den Hollywood-Dramaturgen nicht besser inszeniert werden können. Nach dem Beinahe-Ausfall von Ted Ligety (USA) hatte Hirscher die Riesentorlauf-Kugel bereits in der Tasche; um auch den Gesamtweltcup in trockene Tücher zu bringen, musste der Halbzeit-Zweite Zweiter werden, denn sein einzig verbliebener Widersacher, Beat Feuz, war als letztlich 21. erwartungsgemäß ohne Punkte geblieben.
Im Ziel führte der junge Marcel Mathis, im Starthaus warteten nur noch Hirscher und der Halbzeit-Führende Hannes Reichelt. Für den Mann mit dem gelb-schwarzen Helm hieß es alles oder nichts, wie er später meinte. Und als er unter frenetischem Beifall die Ziellinie überquerte und der Einser von der Anzeigentafel lachte, riss er beide Hände in den Mittagshimmel, um seine anschließende Ehrenrunde mit gehobenem Zeigefinger zu feiern.
Als letztlich Reichelt 0,19 Sekunden hinter Hirscher blieb, war die „Hirschermania“ endgültig perfekt. Zu den von 14.000 Zuschauern intonierten Klängen von „I am from Austria“ stemmte Österreichs neuer Skiheld seine erste Weltcup-Kugel hoch.