Großartige Haie scheiterten erst in Spiel sechs


Die kleine schwarze Kunststoffscheibe - stets im Zentrum ... / GEPA Benedikt Schennach (rechts) nahm sich McKiernan zur Brust / GEPA Feierten im vierten Play-off-Spiel den ersten Sieg über Wien - Sacha Guimond und Goalie Patrick Nechvatal / GEPA Plötzlich war es mucksmäuschenstill ... / GEPA

„It’s crunch time“ ist immer wieder aus den kanadisch dominierten Kabinen der Eishockeyklubs zu hören, je näher die Play-offs rücken, und tatsächlich: Das heißt ja auch nichts anderes als: „Jetzt geht es ums Ganze, um die Wurst sozusagen.“ Also um die Meisterschaft. Ein Spruch, den sich ganz besonders Innsbrucks Eishockey-Cracks nach der nicht gerade berauschenden Qualifikationsrunde zu Herzen nehmen wollten.

Denn mit den abschließenden Pleiten gegen Salzburg (3:6) und in Wien gegen die Caps (1:5) waren die letzten theoretischen Chancen auf Platz vier und damit das Heimrecht vertan worden. Und so kam es wie befürchtet – wie schon im Vorjahr pickten sich die Wiener als Sieger dieser Zwischenrunde die Haie als Erstrundengegner in der K.o.-Phase heraus.

Gerade das hatte man ja vermeiden wollen, wohl wissend, dass die Caps in dieser „crunch time“ ohne Frage nur schwer zu „schlucken“ sein würden; sogar von Haien. Auch wenn sich die Tiroler auf die Hoffnung einschworen, dass Play-off-Hockey ein anderes Hockey sei.

Schöne Worte, um sich selbst stark zu reden, doch die Realität sah ganz anders aus – „mit so vielen Strafen kann man kein Play-off-Spiel bestreiten“, monierte selbst Servus-TV-Experte Claus Dalpiaz, der Ex-Innsbruck-Goalie, schon nach dem ersten Drittel. Und nicht nur er traute seinen Augen kaum, was die Haie im ersten Viertelfinale in der Wiener Albert-Schultz-Halle inszenierten.

Im Minuten- oder besser gesagt sogar Sekundentakt wanderten Andrew Clark, Jeremie Blain, Mitch Wahl, Ondrej Sedivy, Sacha Guimond und erneut Blain auf die Strafbank, um den Vienna Caps mit insgesamt 14 Strafminuten ein Powerplay nach dem anderen zu servieren. Jerry Pollastrone (3.) und Jamie Fraser (13.) bedankten sich mit zwei Überzahltreffern, beim dritten durch Andreas Nödl (17.) sah Haie-Keeper Rene Swette, der zuvor einige Male stark pariert hatte, nicht gut aus. Die beste Haie-Chance ließ Andrew Yogan liegen, der im Powerplay das leere Tor verfehlte (15.).

Aber im Prinzip war’s zum Grausen. „Wir müssen mehr Selbstkontrolle und Selbstvertrauen an den Tag legen“, wusste auch Kapitän Tyler Spurgeon nach dem ersten Drittel.

Der zweite Abschnitt begann – richtig – wieder mit zwei Strafen für die Haie. Doch in der Folge ließen sich die Hausherren ebenfalls hinreißen, und die Innsbrucker hatten im Powerplay bei zwei Stangenschüssen von Andrew Clark und Hunter Bishop auch Pech. Man klopfte zumindest an, wie in so manch hartem Zweikampf.

Was weniger positiv ins Auge fiel, war die Tatsache, dass bereits zu Beginn des Mitteldrittels Patrik Nechvatal statt Rene Swette im Kasten stand. Es war der x-te vorzeitige Austausch in dieser Saison und kein Umstand, der das Selbstvertrauen der Torhüter nährte. Nechvatal fand gut in die Partie, musste sich nach 39 Minuten bei einem Schuss von Nödl aber zum 0:4 beugen. „Aufgeben tut man einen Brief, aber sicher kein Play-off-Spiel“, stapfte HCI-Verteidiger Philipp Lindner nach 40 Minuten in die Kabine.

Es wurde weiter gestochen, gecheckt und „getanzt“. Einen Boxkampf entschied Flo Pedevilla gegen Brocklehurst für sich, Blain und Yogan kassierten Disziplinarstrafen – ein Umstand, den Haie-Headcoach Rob Pallin eigentlich mit 200 Euro für die Mannschaftskassa abstrafen will. Weil man auf der Strafbank eben keine Spiele gewinnt.

Dass man zumindest ein gutes Drittel mit in das Heimspiel nehmen wollte, war nach dem Ehrentreffer von Sacha Guimond zum 1:4 etwas realistischer. Die Frage lautete: Wie sind die Wiener zu stoppen? Wahrscheinlich nur sehr schwer, denn nach heroischem Kampf und 73 Minuten Eishockey pur hatten sich die Haie im zweiten Play-off-Viertelfinale mit 2:3 geschlagen geben müssen. Eine bittere Niederlage, denn vor ausverkauftem Haus und einem schnellen Rückstand nach Fehler von Wehrs „steppte“ in einer vierminütigen Überzahl gleichsam der Tiroler Bär, spielten die Haie Rock’n’ Roll.

Der Ausgleich ging auf die Kappe eines brandheißen Mitch Wahl, exakt 90 Sekunden später spielte Andrew Yogan beim 2:1-Führungstreffer sein großartiges technisches Repertoire aus. Der Ausgleich passierte unglücklich, aus dem Chancenplus im Minutentakt hätten die Hausherren einfach Kapital schlagen müssen. Es blieb beim 2:2 und war ein ganz großer Tanz auf dem Vulkan. Einer, der mit diesem kollektiven Kraftakt widerlegte, dass die Haie vermeintlich über zu wenig Play-off-Mentalität verfügen.

Im letzten Drittel rettete Nechvatal gegen Vause, Pollastrone, Tessier und Rotter, im Finish hatten aber auch die Haie durch Ondrej Sedivy (57.) und Sacha Guimond (58.) Chancen zum Sieg. Es war fast nicht mehr auszuhalten und führte in eine Verlängerung mit der weiteren Frage, wer den längeren Atem hat. Nach einem beherzten Vorstoß hatte Philipp Lindner und im Nachschuss Mitch Wahl (67.) die Doppelchance auf den Siegtreffer, kurz darauf rettete Nechvatal gegen Rotter, den meist „gehassten“ Wien-Spieler unter den Tiroler Fans. Der Genannte nutzte dann in Klasse-Manier und nach einer Drangperiode müde Innsbrucker Muskeln aus und traf mit dem Bauerntrick hinter dem Tor kommend zum 2:3 (73.).

Es war plötzlich mucksmäuschenstill in der Halle, die HCI-Cracks gingen nach heroischem Kampf in die Knie. Im Wissen, dass es nach einem 0:2-Rückstand in der Serie gegen den amtierenden Titelverteidiger aus der Bundeshauptstadt jetzt noch schwieriger wird.

Der Plan für Spiel drei klang simpel. „Wir müssen mit Emotion und Cleverness agieren“, hatte Headcoach Rob Pallin seiner Truppe mit auf den Weg gegeben. Der Spielverlauf – inklusive einer 20-minütigen Unterbrechung nach Bruch einer Plexiglasscheibe, war nichts für schwache Nerven. 1:0 für Wien, dann, 2:1 Haie; dem 2:2 setzten die Tiroler die erneute Führung entgegen, ehe Raubein Ryan McKiernan im Gegenzug das 3:3 markierte. Es war Play-off-Eishockey vom Allerfeinsten, das – wie schon in Innsbruck – in einer Verlängerung gipfelte. Leider erneut – durch den zweiten Treffer von Nödl – mit dem besseren Ende für die Wiener. 3:0 für die Caps, da spekulierten wohl nur Berufsoptimisten noch mit einer Wende.

Doch wie heißt es so treffend? Unverhofft kommt oft. „Believe in your strength, we do it“ – „glaubt an eure Stärke, wir tun es“, stand auf dem Banner der Haie-Fans. Und nach einer flammenden Kabinenansprache von Mitch Wahl waren die Haie tatsächlich „on fire“. Andrew Yogan fixierte mit seinem dritten Play-off-Treffer im Nachstochern die erstmalige 1:0-Führung für die Haie. Und nach einem Blain-Schuss fälschte Benni Schennach, der für Morten Poulsen in Linie zwei und in die Überzahlformation rückte, die Scheibe zum 2:0 (13.) ab. Die Halle kochte. Nach einer Drangperiode konnten die Caps aber noch vor der Drittelsirene verkürzen.

Im Mitteldrittel hatten Pollastrone und Hartl den Ausgleich am Schläger, den Puck beförderte aber mit Fabio Schramm ein zweiter Tiroler entscheidend zum 3:1 (22.) ins Netz. Danach ging es hin und her, Torchancen in Hülle und Fülle. Rafael Rotter markierte den Anschlusstreffer nach Videobeweis (35.), und es hagelte Gegenstände aufs Eis. Echte Play-off-Atmosphäre.

Sechs Sekunden vor der Drittelsirene fasste sich Verteidiger Sacha Guimond ein Herz und hämmerte die Scheibe zum 4:2 ins Netz. Ein schwerer Lindner-Fehler ebnete den Gästen den Weg zum dritten Treffer, danach blieb es ein ganz großer Eishockey-Krimi, der endlich und im achten Play-off-Spiel innerhalb von zwei Jahren den ersten Sieg über Wien brachte.

Der wurde mit stehenden Ovationen in der Tiwag-Arena gefeiert. Für die Caps war es nach 15 Play-off-Siegen in Serie indes die erste Niederlage. „Jetzt fahren wir nach Wien, und dann stellen wir am Dienstag bei uns auf 3:3“, meinte Headcoach Rob Pallin an die Adresse des Meisters. Und die Tiroler machten Pallins Prophezeiung wahr – sie gewannen nach einer bärenstarken Leistung 2:1 und erkämpften damit ein weiteres Heimspiel. Plötzlich schien die Sensation zum Greifen nahe, Innsbruck war im Eishockey-Fieber.

Es war wie in alten glorreichen Eishockey-Zeiten. Schon der Stau beim Eingang wieseine Stunde vor Anpfiff darauf hin, dass die Tiwag-Arena aus allen Nähten platzen würde. „Ich komme mir vor wie früher in der Alpenliga“, erinnerte sich ein Journalisten-Kollege, während die Nebelschwaden aufgingen. Das Adrenalin war auf jedem Quadratzentimeter spürbar, das Momentum schien sich nach zwei Siegen in Serie ja hin zu den Innsbrucker Haien verlagert zu haben. Aber die Hoffnungen platzten schon im ersten Drittel – Wien führte mit 2:0.

Doch das Mitteldrittel begann genauso, wie es beginnen sollte: Die Haie nutzten eine numerische Überlegenheit nach 39 Sekunden zum Anschlusstreffer aus – nur zwei Minuten später stand die Halle endgültig kopf. Hunter Bishop wurde bei einem sehenswerten Alleingang von den Beinen geholt, den fälligen Penalty setzte der 30-jährige Amerikaner bei stehenden Ovationen cool zum 2:2 (24.) in die Maschen.

Wem schlägt die Stunde, wer schießt das dritte Tor? Nervenflattern pur. Nicht bei Andrew Yogan, der in Minute 43 einmal mehr einen ganz wichtigen Treffer und sein bereits fünftes Play-off-Tor in der packenden Serie gegen die Capitals servierte. Die Fans waren endgültig und vollends aus dem Häuschen.

Und jetzt wurde es klarerweise auch ein Spiel mit der Zeit, gegen die Uhr, um den richtigen Mix zwischen (dosiertem) Vorwärtsgang und sicherer Defensive zu finden. Wien machte Druck, Nechvatal ließ sich im Zusammenspiel mit seinen Vorderleuten aber nicht überrumpeln. Nach zahlreichen Glanztaten des Tschechen traf Tessier in Überzahl aber dennoch zum 3:3-Ausgleich. Und nur 36 Sekunden später nutzte Ex-Hai Nödl die müden Innsbrucker Beine zum 3:4 aus. Der Schock saß tief, plötzlich war es mucksmäuschenstill.

Es ging nichts mehr, stattdessen traf Vause noch zum 3:5 und mitten ins Tiroler Herz. Ein bitteres Play-off-Aus, doch die Fans feierten ihre Haie minutenlang mit Standing Ovations.