Die Frage musste einfach erlaubt sein: War das Glas nun halb leer oder halb voll? Nach dem fünften Platz von Bernadette Graf bei der Judo-WM in Astana stand jedenfalls fest: Österreich wird ohne Medaille aus der kasachischen Steppe zurückkehren. Die Tulferin (bis 70 Kilogramm) hätte für die erste WM-Medaille seit 2010 (Bronze von Filzmoser) sorgen können, scheiterte im entscheidenden Kampf um den dritten Rang aber haarscharf. Sie unterlag der dreifachen Weltmeisterin und Titelverteidigerin Yuri Alvear.
„Im Moment überwiegt die Enttäuschung, dass sich die erste WM-Medaille nicht ausgegangen ist“, sagte Graf, die sich im ersten Kampf am Knie verletzt hatte, danach aber trotzdem Vollgas gegeben hatte. Niedergeschlagen brauchte die Tirolerin nicht sein – im Gegenteil: Rang fünf war ihr bislang bestes WM-Resultat. Und sie war Österreichs beste Athletin bei der WM, nachdem die Oberösterreicherin Sabrina Filzmoser (bis 57 Kilogramm) und die Innsbruckerin Kathrin Unterwurzacher (bis 63 Kilogramm) jeweils im Achtelfinale ausgeschieden waren.
Der Weg zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro schien für Graf geebnet, sagte ihr langjähriger Trainer Martin Scherwitzl: „Die Qualifikation hat sie jetzt so gut wie fix.“ Der fünfte Platz (180 Punkte für Olympia) sei „ein Lichtblick für Österreich und eine Bombenleistung. Mit ein bisschen Glück wäre mehr möglich gewesen.“ Schmerzhaft sei die Halbfinalniederlage gegen Maria Bernabeu gewesen.
Die Innsbruckerin Kathrin Unterwurzacher, die nach einem Unachtsamkeitsfehler bereits im Achtelfinale ausgeschieden war, steuerte nach wie vor auf Olympia-Kurs. „Sie ärgerte sich sehr, aber jetzt geht es ihr schon besser.“ Aus Tiroler Sicht war das Glas jedenfalls halb voll – dank der Leistung von Bernadette Graf.