Geburtsstunde eines Siegers


Dieses Busserl von der Gams hat sich Kitz-Sieger Thomas Dreßen mehr als verdient / APA/EXPA "Da geht's ja wirklich bergab ... / Thomas Böhm"

Josef Ferstl, der nunmehr vorletzte deutsche Streif-Champion (1979), stand nach der Abfahrt im Zielraum von Kitzbühel und plauderte in seiner kernigen Art und dem dazu passenden bayerischen Dialekt über Nachfolger Thomas Dreßen. Unter einer DSV-Mütze und über einem ergrauten Schnauzer funkelten die Augen des 63-Jährigen vielsagend. „Er hat keine Ahnung, was da auf ihn zukommt“, sprach Ferstl, blickte sich um und ergänzte: „Das ist auch besser so.“

Verständlich, denn die deutsche Medienlandschaft stürzte sich ausgehungert auf den 24-jährigen Mittenwalder. Nach dem verletzungsbedingten Aus für die beiden Vorzeige-Techniker Felix Neureuther und Stefan Luitz hatte sich alles auf den Speed-Sektor konzentriert, aus dem Josef Ferstl (junior !) wie aus dem Nichts im vergangenen Dezember als Gröden-Super-G-Sieger aufgetaucht war. Und nun, nach Rang fünf auf der Lauberhorn-Abfahrt von Wengen, ist mit Dreßen endlich wieder ein Sieger da. Und das bei einem Klassiker. Da stand alles kopf!

Wie ein Lauffeuer machte das die Runde – seine Siegesfahrt beschloss das abendliche „Heute Journal“ im deutschen Fernsehen, das den Skifahrern nur selten solche Ehre angedeihen lässt. Und seine Glanztat war einige Minuten später die Eröffnung für das abendliche „ZDF-Sportstudio“. Nach einer dezidiert langen Festnacht (Dreßen: „Ich bin ein Typ fürs Feiern, ich werde das schon richtig feiern“) folgte der Auftritt beim „SportTalk“ auf Servus-TV.

Und auch Stunden nach seinem Erfolg stand der ehemalige Schüler der Skihauptschule Neustift ungläubig vor der Kamera. Zum Realisieren gab es nur wenig Zeit. Begeistert vom Auftritt seines Schützlings zeigte sich auch der Vorarlberger Mathias Berthold, der Deutschlands Ski-Herren als Cheftrainer anführt: „Er erinnert mich ein bisschen an den Mayer Matthias, der vielleicht in der Zeit noch einen Schritt vor dem Thomas war.“

Der deutsche Alpin-Chef Wolfgang Maier zeigte sich indes tief beeindruckt von der Freundlichkeit und Güte der Österreicher. „Wir sind überwältigt, wie nett wir hier empfangen wurden und wie groß die Freude für uns war. Das wird uns lange in Erinnerung bleiben“, meinte Maier, der seine Begeisterung nicht zurückhalten konnte. Ebenso wenig wie Dreßen. Aber ob er deswegen jetzt schon unsterblich sei? „Nein“, schüttelte der Kitz-Champion den Kopf, „ich fühle mich deswegen nicht anders. Außer dass ich sehr glücklich bin.“