Nirgendwo liegen Freud und Leid so nahe beieinander wie im Sport. Während sich der Russe Roman Repilow, der Vorarlberger Jonas Müller und der Natterer Wolfgang Kindl im Ziel des Olympia-Eiskanals von Sotschi in den Armen lagen und über Gold, Silber und Bronze bei der Weltmeisterschaft jubelten, saß David Gleirscher bedient neben seiner Rodel in der Bahn des Sliding Center Sanki. Der Stubaier Halbzeitführende, der bereits im Sprint den WM-Titel nur hauchdünn als Zweiter verpasst hatte, stürzte auf dem Weg zu Gold.
Der Olympiasieger schüttelte fassungslos und ungläubig den Kopf. „Der Sturz kam unerwartet, aus dem Nichts. Ich habe mich im ersten Moment gefragt, was denn jetzt passiert ist. In dieser Kurve hatte ich die ganze Woche keine Probleme. Einfach nur bitter! Aber so ist der Sport“, analysierte der 25-Jährige mit ein wenig Abstand. Unmittelbar nach dem verpassten Gold-Traum kämpfte Gleirscher noch mit den Emotionen. In Summe zog der Polizei-Sportler aber eine positive Bilanz: „Sprint-Silber habe ich in der Tasche. Hätte mich vor der WM jemand gefragt, hätte ich bei diesem Ergebnis sofort unterschrieben.“
Trotz des Sturzes herrschte im ÖRV-Team dank der Medaillen von Müller und Kindl Jubelstimmung. Müller hatte nicht mit Edelmetall gerechnet, da für ihn die Hausherren in Sotschi zu stark erschienen waren. „Silber ist mega! Diese Medaille hat einen unglaublich hohen Stellenwert, wenn man bedenkt, dass die Russen hier vergangenes Jahr im Weltcup einen Vierfach-Triumph gefeiert haben. Sie waren für mich eine Übermacht, umso sensationeller, dass wir hier so mitfahren konnten“, strahlte der Bludenzer.
Dass es wegen 0,032 Sekunden nicht für Gold reichte, störte Müller an diesem Tag nicht. Der 22-Jährige zeigte sich auch als wahrer Sportsmann. Den knappen Rückstand wollte er nicht an seiner schlechteren Startnummer festmachen: „Vielleicht wäre mit einer niedrigeren Nummer in Lauf eins mehr drin gewesen. Aber ich suche die Zeit in meinen nicht fehlerfreien Läufen.“
Die eigentliche Sensation war aber die Bronzemedaille von Kindl. Der Natterer, der seit Wochen an einem Knochenmarködem und einem Haarriss in der Speiche laboriert hatte, zog sich im Training bei einem Bandeneinschlag eine Kapselverletzung am Ringfinger zu. „Ich bin überglücklich. Im Sprint hätte ich mir was ausgerechnet, aber nicht im Einzelbewerb. Noch dazu waren die Voraussetzungen mit den Verletzungen nicht optimal. Es war entzündet, geschwollen und hat geschmerzt. Aber das Material hat einfach perfekt funktioniert“, betonte Kindl nach dem Rennen.
In der abschließenden Teamstaffel konnte das ÖRV-Team ohne das verletzte Top-Duo Thomas Steu / Lorenz Koller nicht um die Medaillen mitreden. Madeleine Egle, Jonas Müller und Yannick Müller / Armin Frauscher landeten beim Sieg der Deutschen auf Platz fünf.
ÖRV-Sportdirektor und Cheftrainer Rene Friedl resümierte dennoch hochzufrieden: „Drei WM-Medaillen – damit hätte ich in den kühnsten Träumen nicht gerechnet“, so Friedl, der zusammen mit Trainerkollege Tobias Schiegl seine Haare verwettet hatte. Beide hatten nicht geglaubt, dass es am Schlusstag zwei ÖRV-Medaillen geben könnte. So setzte Jonas Müller noch am Abend den Rasierer bei Schiegl an. „Ich ohne Haare, das fühlt sich wie eine Kastration an“, verlor Schiegl zumindest nicht den Humor.