Wengen im Jänner 2013, der Rückblick – für einmal war Christof Innerhofer ganz der Angreifer, „aggressiv wie schon lange nicht mehr“, meinte der Pustertaler selbst zu seiner Stimmungslage. Und es sollte sich bezahlt machen. Mit dem Triumph im berühmt-berüchtigten Lauberhorn-Klassiker. Er habe, meinte der 28-Jährige, „mehr mit diesem Übermut als mit der tückischen Abfahrt zu kämpfen gehabt. Ich musste die richtige Mischung finden: locker bleiben und gleichzeitig den Ski schnalzen lassen“, brachte er es auf den Punkt.
Die Favoriten verzweifelten allesamt an seiner Bestzeit: Aksel Lund Svindal, zwischenzeitlich einer der Schnellsten, landete nach einem Sturz im Netz, trug aber keine Verletzung davon. Der Salzburger Hannes Reichelt freute sich über Rang drei und eine Höchstgeschwindigkeit von 160,3 km/h – nur der neue Weltrekordhalter, Franzose Johan Clarey (161,9 km/h), war schneller gewesen. Das brachte den Tiroler Romed Baumann (6.) ins Staunen: „So schnell wäre ich auch gern“, raunte der 27-Jährige im Ziel. Dabei durfte er seinerseits zufrieden sein: „Abschwingen und weit vorne sein, das ist ein Glücksgefühl.“ Im Hinblick auf die Weltmeisterschaft in Schladming war Wengen auf alle Fälle ein Schritt Richtung Abfahrtsticket.
Das hatte Klaus Kröll, der Zweitplatzierte, bereits sicher. Und nach dem unglücklichen vierten Platz von Bormio – dem 32-Jährigen hatten damals nur zwei Hundertstel auf den Sieg gefehlt – gönnten ihm viele der 33.000 Zuschauer am Lauberhorn den Erfolg. Die Fahrt zu seinem 20. Podestplatz war jedenfalls keine gewesen, die er hätte genießen können: „Es war ein Kampf von oben bis unten“, gestand Kröll in der abschließenden Pressekonferenz.
Auf dem Podium der in die Jahre gekommenen Wengener Schulturnhalle saß natürlich auch – ein sichtlich entspannter – Lauberhorn-Sieger Christof Innerhofer. Doch die Körperhaltung des Bruneckers wollte nicht zu dem passen, was der Südtiroler den 50 Journalisten in ihre Notizblöcke diktierte. „Seit 14 Monaten nehme ich Schmerzmittel“, plauderte er aus seinem Sportleralltag. Zumindest mit Injektionen sei es vorbei: „Spritzen kommen nicht mehr in Frage“, erklärte Innerhofer – er wolle es bei Tabletten belassen.
In diese Situation hatte den Super-G-Weltmeister von 2011 eine wahre Serie an Missgeschicken manövriert: Ein schwerer Trainingssturz im Stubaital und ein Schleudertrauma lösten eine Kettenreaktion aus; es folgten zahllose Therapien, die nichts brachten, ehe ein Unfall in einem Leih-Porsche die Situation erneut verschärft hatte. Innerhofer musste seine Bewegungskette auf den Kopf stellen, in Deutschland gab ihm ein Therapeut den entscheidenden Hinweis: „Bis dahin bin ich gegangen wie ein Roboter“, erinnerte sich Innerhofer an diese Zeit.
Geblieben ist ihm die Wertschätzung seiner Gesundheit und das Wissen, dass die Sportlerkarriere eine auf Zeit ist: „Den letzten Tropfen Blut werde ich nicht für den Ski-Weltcup vergießen.“ Und ebenfalls geblieben sind ihm Schmerzmittel.