Dawid, der Tournee-Goliath


Gregor Schlierenzauer mit einer Top-leistung (6. Platz) am Bergisel / APA Immer wieder ein faszinierendes Bild - das gut besuchte Bergiselstadion / GEPA Die Nummer eins in Innsbruck - Marius Lindvik / GEPA Der Sprung in den "Kessel" des Bergisel - und die Nordkette als faszinierende Kulisse / GEPA "Von der Tournee habe ich mir mehr erwartet", so Cheftrainer Andi Felder / GEPA Kleine Geburtstagsparty für den Gregor mit Teamkollegen und Torte / EXPA Die großen Drei in der Gesamtwertung der Vierschanzentournee - Marius Lindvik (2.), Dawid Kubacki (Sieger) und Karl Geiger (3. v. l.) / GEPA

Und am Ende jubelten wieder einmal die Polen – Dawid Kubacki hatte im großen Finale der 68. Vierschanzentournee die Nerven bewahrt, sich letztlich neben dem Tagessieg in Bischofshofen nach Malysz und Stoch als dritter Springer aus Polen den Gesamtsieg der Tournee gesichert. Durchaus verständlich, dass die Begeisterung um den 30-Jährigen keine Grenzen kannte. Kamil Stoch und Piotr Zyla erwarteten Dawid Kubacki bereits im Schanzenauslauf, bildeten mit dem Sensationssieger eine Jubeltraube. Dann trugen sie ihren Champion auf Händen. Über Kubacki hinweg explodierte das goldene Tournee-Schlussfeuerwerk und 15.000 Fans applaudierten.

Verdienter Applaus für den Sieger, denn die 68. Vierschanzentournee hatte in Bischofshofen ein hochklassiges und spannendes Finale geboten. Mit dem nervenstarken Kubacki, der bei der abschließenden Flugshow mit Sprüngen auf 143 und 140,5 Meter triumphierte. Fazit? Nach zweimal Platz drei (Oberstdorf, Garmisch) und Rang zwei in Innsbruck jubelte der Mann aus Novy Targ in Salzburg über seinen zweiten Weltcupsieg – sein Vorsprung auf den Zweiten Marius Lindvik aus Norwegen betrug am Ende komfortable 20,6 Punkte.

„Es ist wunderschön, Geschichte schreiben zu dürfen“, sagte der Sieger, der sich ein Jahr zuvor bei der WM 2019 in Seefeld Gold von der Normalschanze gesichert hatte. Jetzt ist er nach Adam Malysz (2000/01) und Kamil Stoch (2016/17 und 2017/18) der erst dritte polnische Tourneesieger. Wie sich die Siegertrophäe, ein neun Kilo schwerer goldener Adler anfühlt, wurde er bei der Sieger-Pressekonferenz gefragt: „Nach 30 Sekunden begannen meine Hände zu schmerzen, das Teil ist richtig schwer“, erklärte er mit einem Lächeln.

Kubacki hatten nicht alle Experten in ihrer Hochrechnung. Ex-Deutschland-Trainer Werner Schuster etwa zweifelte an dessen Nervenstärke. Gregor Schlierenzauer wiederum meinte nach dem Finale anerkennend: „Respekt, das hätte ich ihm nicht zugetraut!“ Kurz vor Weihnachten hatte Kubacki als 46. in Engelberg sogar den zweiten Durchgang verpasst, um bei der Tournee seine Konkurrenten im spannendsten Finale seit 20 Jahren klar zu distanzieren.

Die Attacke von Jungstar Marius Lindvik war ins Leere gegangen, er durfte sich aber mit Gesamtrang zwei und Platz drei in Bischofshofen trösten. Der Allgäuer Karl Geiger zeigte als Zweiter auf und freute sich über Platz drei in der Gesamtwertung: „Dawid ist bei dieser Tournee über sich hinausgewachsen, er hat verdient gewonnen!“ Vorjahressieger Ryoyu Kobayashi wiederum, der noch das Auftaktspringen in Oberstdorf für sich entschieden hatte, war bereits im ersten Durchgang aus dem Kreis der engsten Anwärter gefallen. Letztlich reichte es für ihn zu Tagesrang sieben und Gesamtrang vier.

Während die polnischen Fans noch bis spät in die Nacht in Bischofshofen feierten, verpasste Österreich auch im letzten Bewerb das Podest. Stefan Krafts insgesamt dritter vierter Platz (nach Oberstdorf und Innsbruck) stand symptomatisch für eine verkorkste Tournee. In der Gesamtwertung erreichte der Salzburger Rang fünf.

Wie immer war eine Vorentscheidung um den Tourneesieg in Innsbruck gefallen. Da war der Bergisel einmal mehr seinem Ruf als Schicksalsberg gerecht geworden. Ryoyu Kobayashi hatte mitansehen müssen, wie Jungstar Marius Lindvik mit seinem 133-Meter-Flug im ersten Durchgang den Grundstein zu seinem zweiten Tournee-Tagessieg nach Garmisch legte. Vom japanischen Überflieger der Vorsaison sprach kaum noch jemand. Dafür umso mehr von der Unbekümmertheit des Marius Lindvik.

Und Österreichs Adler? Stefan Kraft sprang als Vierter (123/127,5 Meter) knapp am Podest vorbei: „In Oberstdorf war es mir noch egal. Jetzt ist es schon bitter.“ Gregor Schlierenzauer konnte als Sechster auf seiner Heimschanze zumindest kurzfristig ein Ausrufezeichen setzen. Der Rekord-Weltcupsieger gewann dabei knapp vor seinem 30. Geburtstag auch das K.o.-Duell gegen Kamil Stoch. „Der war absolut fürs Herz“, sagte der zweifache Bergisel-Sieger nach seinem 127,5-Meter-Flug. „Wenn man ins Fliegen kommt, zwischen den Ski drinhängt, dem Hexenkessel entgegenschwebt, dann ist das ein geiles Gefühl.“

Irgendwie verständlich, denn fast 21.000 Fans verwandelten die Arena auch ohne österreichischen Podestplatz in einen rot-weiß-roten Hexenkessel. Was auch die Verantwortlichen freute. „Das Springen ist ein voller Erfolg. Die Stimmung ist gut, ich bin zufrieden. Nur sportlich könnte es ein wenig besser laufen“, sagte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel. Am Ende des vierten Springens und im Rahmen einer kleinen 30er-Feier für Gregor zog Cheftrainer Andi Felder Bilanz. Die enttäuschende Tournee-Bilanz konnte die Geburtstagsfeier aber nicht aufpolieren.

Für Sportdirektor Mario Stecher und Cheftrainer Andreas Felder endete die 68. Vierschanzentournee mit drei vierten Plätzen von Stefan Kraft und nur Rang fünf in der Gesamtwertung bitter. „Wir hätten uns alle mehr erwartet. Stefan Kraft hat als Mitfavorit sehr gute Leistungen gezeigt“, sagte Stecher. Der eine oder andere junge Athlet habe hingegen „Federn gelassen“. „Wir springen alle auf einem sehr hohen Niveau, für ganz vorn hat es außergewöhnliche Sprünge gebraucht.“

Ausreden, wie etwa fehlendes Glück, wollte Stecher nicht gelten lassen. „Es waren am Ende des Tages einfach immer drei andere Springer besser als wir.“ Mit dem Quali-Sieg von Kraft in Bischofshofen und Quali-Rang zwei durch Philipp Aschenwald in Garmisch habe man aufzeigen können. „Jetzt heißt es, das auch im Wettkampf zu zeigen!“