Gebannt blickte Simon Ammann auf die Anzeigetafel im Oberstdorfer Skisprungstadion. In seinem Blick waren die Fragen wie Worte zu lesen: Welche Noten bekomme ich? Wird dieser zweite Sprung zum Sieg genügen? Es reichte. Durch seinen Vorsprung im ersten Durchgang genügte dem Schweizer im zweiten ein gleich weiter Satz wie seinem Verfolger Wolfgang Loitzl, um vor 22.000 Zuschauern die Ski in die Höhe reißen zu dürfen.
Ausgelassen feierte der 27-Jährige dann seinen Sieg beim Auftaktspringen der Vierschanzentournee vor Loitzl und dem Überraschungsdritten Dmitrij Wassilijew aus Russland.
Zu ausgelassen? Denn in Sicherheit darf man sich nach einem einzigen Sieg bei der Tournee nie wiegen. Vergangenes Jahr gewann dort Thomas Morgenstern (diesmal Elfter) vor Gregor Schlierenzauer, der heuer auf dem vierten Platz landete. Am Schluss stand keiner von ihnen ganz oben auf dem Siegerpodest.
Die Österreicher waren vor einem Jahr in der Position der Gejagten, so wie in dieser Saison auch. Allerdings scheint ihnen diese Rolle nicht so zu behagen, denn in der Jägerposition, die sie die ganze vergangene Saison außer während der Tournee einnahmen, flogen die ÖSV-Adler von Erfolg zu Erfolg.
„Als Jäger oder Verfolger kannst du nur gewinnen. Wenn man die Nummer eins ist, muss man sich immer verteidigen, ob du willst oder nicht“, stellte der 28-jährige Loitzl fest. Der Steirer war auch aus diesem Grund ganz glücklich mit seinem zweiten Platz. So musste es dann auch sein Trainer Alex Pointner sehen: „Ich hätte zwar lieber gewonnen. Aber im Endeffekt bin ich froh, dass wir jetzt in der Lauerstellung sind und nicht mehr die Gejagten.“
Schlierenzauer, der laut ÖSV-Nordisch-Direktor Toni Innauer im ersten Sprung zu viel wollte und deswegen so spät dran war, zog schlussendlich auch das Positive aus seinem vierten Platz: „Ich habe dazugelernt und weiß, dass die Tournee am Schluss gewonnen wird. Zudem weiß ich, dass ich das Feld von hinten aufrollen kann. Das habe ich schon beim Viernationencup im Sommer gezeigt“, analysierte der Tiroler. Damals überholte er Ammann in der Schlusskurve. Er war wieder einmal in der Jägerposition und nicht der Gejagte. Damals lachte Schlierenzauer am Schluss.