Tournee als Drama in drei Akten


Blick auf Innsbruck / GEPA Eine wolkenverhangene Kulisse ... / GEPA Skeptische Blicke in die Tiefe - in Innsbruck hatten die ÖSV-Adler, wie Stefan Huber, nichts zu lachen / GEPA Kraftlos, von einem Grippevirus geschwächt, landete Stefan Kraft am Bergisel im geschlagenen Feld / GEPA Ein überraschendes Siegerpodest mit Johansson, Tande und Klimov / GEPA Der Endstand nach nur einem Durchgang / GEPA Strahlte über Tagessiege in Garmisch und Innsbruck - Daniel André Tande / GEPA

Es ist schon ein besonderes Spektakel, diese Vierschanzentournee rund um den Jahreswechsel auf den Anlagen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen. Skispringen auf höchstem Niveau, ein Kampf um jeden Meter und Zehntel-Punkte, ein Publikumsmagnet, der sich Jahr für Jahr zumindest nuancenweise neu erfindet und für den Sport im Allgemeinen einen idealen Wegbegleiter in das jeweils neue Jahr darstellt. Wie in das WM-Jahr 2017.

Da durften zum Auftakt in Oberstdorf vor allem die Österreicher jubeln, denn mit Stefan Kraft als Sieger und dem drittplatzierten Michael Hayböck flogen die zwei am höchsten gehandelten ÖSV-Stars der Konkurrenz gehörig um die Ohren, deponierten mit beeindruckender Form und Konstanz ihre Anwartschaft auf den begehrten wie prestigeträchtigen Gesamtsieg, den allerdings auch der polnische Superstar Kamil Stoch anpeilte. Und weil mit Daniel-André Tande in Garmisch ein Norweger quasi als Erster ins neue Jahr flog – vor Stoch und Kraft – zeichnete sich für den Bergisel ein dramatischer Vierkampf um die beste Ausgangsposition für das Finale ab.

Doch das Springen in Innsbruck stand diesmal unter keinem guten Stern – vom Wetter her betrachtet für das gesamte Teilnehmerfeld und vor allem für die Österreicher, denen ein aggressiver Grippe-Virus zu schaffen machte. Am Abend vor der Bergisel-Schlacht war Stefan Kraft im Teamhotel kollabiert, sein „Absturz“ in der Konkurrenz, die zur Windlotterie geworden war, daher nur logisch. „Er hatte einen Kollaps, er ist dehydriert“, so ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel.

Gleich danach hatte es Andreas Kofler und Michael Hayböck mit einer Magen-Darm-Grippe erwischt. Genauer gesagt dem hochansteckenden Norovirus, wie Peter Baumgartl, der Teamarzt, bestätigte. „Dadurch, dass es Stefan als Erstes erwischte, war er als Erster wieder einsatzbereit“, sagte Baumgartl und erklärte daraufhin: „Nur bei Hayböck konnte ich einen Einsatz nicht verantworten.“ Der Oberösterreicher war daher schon im Teamhotel Berghof nahe Bischofshofen gelegen, als ein höchst fragwürdiges Windspringen mit einigen Stürzen einen für die Österreicher unglücklichen Lauf nahm.

Nach eineinhalb Stunden Geduldsspiel durch starke Böen sahen die 19.000 Zuschauer nach nur einem Durchgang den Norweger Daniel-André Tande vor den Podest-Neulingen Robert Johansson aus Norwegen und Jewgeni Klimov gewinnen. Sie sahen aber auch, was sie nicht sehen wollten: Kamil Stoch verließ mit schmerzverzerrtem Gesicht das Stadion Richtung Krankenhaus. Der Pole (4.) war schon im Probedurchgang schwer gestürzt und hatte sich dabei die linke Schulter verletzt. „Ich kann den Arm nicht mehr bewegen“, sagte Stoch, der im Finale 92 Zentimeter gegen Tande aufholen musste. Kraft wiederum landete – grippegeschwächt – kraftlos auf dem 18. Platz und ist vom zweiten auf den dritten Tourneeplatz zurückgefallen. Als bester Österreicher landete der Innsbrucker Manuel Fettner auf dem siebten Platz. Andreas Kofler (27.) und Daniel Huber als 30. holten noch ein paar Weltcup-Punkte.

Die Situation vor dem Finale in Bischofshofen war also klar – der zweifache Gewinner Tande trat gegen den verletzten Stoch und den nicht fitten Kraft um den Gesamtsieg an. Ein Finale zum Mitzittern. Im wahrsten Sinne des Wortes. Letztlich gewann Stoch die Tournee, weil Rivale Daniel-André Tande eine defekte Bindung gebremst hatte und Kraft nicht über Platz 25 hinausgekommen war. Ein Drama in drei Akten sozusagen.

Als Bergisel-Sieger Daniel-André Tande zu seinem Finaldurchgang ansetzte, sackte schon nach wenigen Flugmomenten der rechte Ski ab und der Norweger landete akrobatisch bei 117 Metern (Tagesplatz 26). Das Bindungszäpfchen hatte sich gelöst, der Ski hing nur noch an einem dünnen Sicherheitsbändchen. „Zum Glück ging alles gut“, fand der Blondschopf aus Kongsberg wenig später die Fassung wieder. Man muss ergänzen: Zum Glück verpflichtet sein Tiroler Cheftrainer Alexander Stöckl die Athleten, ein Sicherheitsbändchen anzubringen. „Das wäre sonst fatal gewesen, Daniel hätte einen Salto geschlagen“, erklärte TV-Experte Andreas Goldberger. Das war wohl auch Kamil Stoch bewusst, als er wenige Minuten später beim Interview stand, um Tages- und Tourneesieg zu kommentieren. Die Vollendung für den Weltmeister, Doppel-Olympiasieger und Weltcupgesamtsieger, aber Genugtuung kam nicht so schnell auf. „Es ist wahnsinnig traurig, was Daniel passierte. Ich wollte schließlich immer ein rein sportliches Duell haben, nicht so gewinnen.“

Verdient hat der Mann aus Zakopane den Gesamtsieg allemal. Nicht nur, dass er den Bischofshofen-Sieg davongetragen hatte, auch die Vorgeschichte mit dem Sturz in Innsbruck samt einhergehender Schulterblessur und Schmerzen hatte am Nervenkostüm des 29-Jährigen genagt. Für Hayböck gab es letztlich mit Tagesrang zwei ein versöhnliches Ende dieser Tournee und mit Manuel Fettner als Gesamt-Fünftem verpasste ein Tiroler nur knapp das Podest.