3.353 trotzten dem Wetter


Kein Einsehen hat Petrus mit den Teilnehmern beim Ötztaler / Foto: Sportograf

Irgendwann einmal sollte der Ernst Lorenzi seinen „Draht“ zu Petrus überprüfen oder zumindest dahingehend anfragen, ob man denn – mit Segen von oben natürlich – beim Ötztaler Radmarathon im August nicht ebensolches Prachtwetter haben könne wie im Oktober beim alpinen Ski-Weltcup-Auftakt. Irgendwann greift der Söldener Tausendsassa, der ja bei beiden Veranstaltungen an vorderster Front steht, bestimmt zum Hörer und dann sollten sich die über 3.000 Radler auch wieder einmal über echtes Radwetter freuen dürfen.

Wie auch immer: Dass heuer 3.353 ambitionierte Radler trotz strömenden Regens die Qualen des Ötztaler Radmarathons über 238 Kilometer und 5.500 Höhenmeter auf sich genommen hatten, sorgte einerseits für heftiges Kopfschütteln, anderseits zollten einige – wie etwa der Tiroler Radprofi Thomas Rohregger – den Startern großen Respekt: „Hut ab, wer auf die Strecke ging“, meinte der Kramsacher, der am Brennerpass das bunte Treiben hautnah mitverfolgte.

Trüb, regnerisch und ein Temperatursturz mit Schneefall war von den Meteorologen vorhergesagt worden. Zum großen Bedauern aller: Diesmal hatten die „Wetterfrösche“ Recht. Als um 6:45 Uhr der legendäre Kanonenschuss die mehr als 3.000 Radler ins Rennen schickte, regnete es nicht nur, es schüttete wie aus Kübeln. Auf den vier Alpenpässen (Kühtai, Brenner-, Jaufenpass, Timmelsjoch) kletterte das Thermometer nicht weiter als auf zwei Grad an.

Am Timmelsjoch, dem höchsten Punkt des legendären Radklassikers, hatte Frau Holle über Nacht ihre Betten kräftig ausgeschüttelt. Bis zu zehn Zentimeter Neuschnee verwandelten die zuletzt malerische Herbstlandschaft in eine zauberhafte Winterwelt. Es war bitterkalt. Vor allem bei der Abfahrt vom Kühtai bis nach Kematen, bei der Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h erzielt wurden. Ein wenig Gnade zeigte Petrus dann doch noch. Zumindest ab dem Jaufenpass ließ er den einen und anderen Sonnenstrahl durch die Wolkendecke blitzen. Von sommerlichen Temperaturen jedoch, wie man sie in den letzten Wochen gewohnt gewesen war, weit und breit keine Spur.

Anscheinend unbeeindruckt von Nässe, Schnee und Kälte zeigten sich der Italiener Roberto Cunico und der deutsche Ex-Radprofi Jörg Ludewig. Beim Aufstieg zum Timmelsjoch ließ das deutsch-italienische Gespann die Verfolger leichtfüßig stehen. Dass dabei auch die beiden Lokalmatadoren Emanuel Nösig aus dem Ötztal und der zweifache Ötztal-Sieger Stefan Kirchmair (Telfs) abreißen lassen mussten, schmerzte aus rot-weiß-roter Sicht doppelt.

Letztendlich war es Cunico, der knapp vor Sölden seine letzten Kräfte mobilisierte und nach 7:13,06 Stunden als Erster über die Ziellinie rollte. „Molto freddo – sehr kalt“, sagte das 60 Kilogramm leichte Fliegengewicht. Sichtlich gerührt und mit Tränen in den Augen feierte er seinen Premierensieg in der 33-jährigen Geschichte des Ötztaler Radmarathons. Nach zwei Jahren Abstinenz eroberte die italienische Garde somit den obersten Platz am Podest zurück.

Mit dem dritten Sieg von Stefan Kirchmair nach 2011 und 2012 wurde es also nichts. Im Stile eines großen Sportsmannes verneigte sich der 24-Jährige vor Cunico: „Ich hatte keine Chance. Ich freue mich auch über Platz zehn.“ Zur Freude vieler Ötztaler Fans fuhr Lokalmatador Emanuel Nösig, der insgeheim im engeren Favoritenkreis gehandelt wurde, als bester Österreicher auf Platz fünf. „Was will man mehr? Beim Ötztaler Fünfter zu werden, ist unglaublich.“