Goodbye, London! Die 28. Sommerspiele der Neuzeit präsentierten sich wie die britische Hauptstadt selbst in diesen Tagen weltoffen, unkompliziert. Die Briten erwiesen sich als ebenso enthusiastische wie freundliche Gastgeber und machten aus dem Weltereignis ein mitreißendes Sport-Spektakel.
Nicht zuletzt, weil das britische Team zur emotionalen Olympia-Party 65 Medaillen beigesteuert und damit wie erhofft sein Ergebnis von Peking eindrucksvoll übertroffen hatte. Ob Rad-Idol Chris Hoy, Tennisheld Andy Murray oder Siebenkampf-Superstar Jessica Ennis: Das Vereinigte Königreich erlebte ein zweiwöchiges Sommermärchen und kam dabei aus dem Feiern nicht mehr heraus.
Im Leichtathletikstadion krönte sich Usain Bolt zum schnellsten Menschen der Welt: Der Superstar wiederholte als erster Sprinter das Triple über 100 und 200 Meter sowie mit der jamaikanischen Staffel, die ihren eigenen Weltrekord knackte. Die Konkurrenz hatte einmal mehr keine Chance. Was noch auffiel? Kein Terror, keine Skandale, kein Dauerregen – und am Ende beeindruckte London noch mit einer spektakulären Abschlussfeier – standesgemäß für dieses herausragende Fest des Sports.
Die vor allem von Pop- und Rockmusik geprägte Schlussfeier begeisterte 80.000 Besucher im Stadion und weltweit wohl einige hundert Millionen Fernsehzuschauer. Doch nicht nur wegen der spektakulären Schlussfeier zog IOC-Präsident Jacques Rogge eine durchweg positive Bilanz: „Ich bin ein glücklicher und dankbarer Mann. Es waren absolut fabelhafte Spiele.“ Und für Chef-Organisator Sebastian Coe hatten die Spiele „die Welt ein wenig näher zusammengebracht und uns daran erinnert, dass wir eine einzige Menschheit sind.“
Österreichs Resümee? Das rot-weiß-rote Olympia-Abenteuer hatte mit einem Frühstücksinterview begonnen und bei einer Frühstückspressekonferenz wurde Bilanz gezogen. Und beide Male war es aus Sicht des österreichischen Sports nicht erfreulich, schrieb Flo Madl in der Tiroler Tageszeitung: Zunächst hatte Markus Rogan mit seinem „Sager“ über den Zusammenhang von sportlichem Erfolg und niedriger Intelligenz die Sommerspiele eingeleitet. Drei Wochen später beschloss ÖOC-Präsident Karl Stoss die Tage von London, indem er mit den Systemkritikern abrechnete.
Als einziges EU-Land neben Malta und Luxemburg keine Medaille (wie 1964 in Tokio), 17 Platzierungen unter den Top Ten, das sind um 13 weniger als 2008 in Peking. „Das tut weh, da gibt es nichts zu beschönigen“, sagte Stoss, der an den Wettkampfstätten aber tiefe Einblicke in die Gefühlswelt der Sportler erhielt. „Man leidet mit den traurigen Athleten, denn oft liegen Erfolg und Niederlage sehr eng beisammen.“ Pauschalurteile würden deshalb keinen Sinn machen, betonte der Präsident des Österreichischen Olympischen Komitees. Fakt ist – zwischen österreichischem Anspruch und olympischer Wirklichkeit klaffte eine Lücke, die der rot-weiß-roten Sportseele noch lange im Magen liegen würde.
Einigermaßen zufriedenstellend durften Nico Delle-Karth und Niko Resch bilanzieren, obwohl der Medaillentraum sich nicht erfüllt hatte. Die Österreicher hatten zwar die letzte Wettfahrt des 49er-Bewerbs, aber nicht Bronze gewonnen. Beim abschließenden „Medal Race“ verzeichnete man doppelte Punkte für die Gesamtwertung, doch selbst dieser Bonus reichte am Ende nur zu Platz vier. „Wir haben uns nichts vorzuwerfen“, übte sich der Tiroler Steuermann Nico Delle-Karth an Land in Gelassenheit.
Die Renngeschichte konnte dramatischer nicht sein: Während das rot-weiß-rote Duo dem Tagessieg entgegenfuhr, lagen die um Bronze ritternden Dänen zunächst weit zurück. Auf dem letzten Schlag segelten die Skandinavier mit einem Schluss-Sprint auf Rang drei – und das auch in der Gesamtwertung. Gold ging an Australien, Neuseeland holte Silber. Zumindest was die Stimmung am Ufer anlangte, hätte man sich während der letzten Wettfahrt wie in einem Fußballstadion gefühlt:
„10.000 Leute am Strand, wir in Führung: Es war, als hätten wir am Innsbrucker Tivoli eben ein Tor geschossen“, befand Niko Resch. Nach dem Zielstrich hatten die Österreicher ihre kurzfristig aufkeimende Enttäuschung bereits verarbeitet, Zuversicht stellte sich ein. Die Medaille habe man schließlich auf den 15 Wettfahrten zuvor und nicht erst in der letzten vergeben.
Und in Wahrheit hatte man ohnehin gewonnen, denn die letzten fünf Monate hatten sich nur mit großer Kraftanstrengung bewältigen lassen. Nico Delle-Karths Bänderriss im Knie hatte die Vorbereitung getrübt, der Tod seines Bruders Jörg bei einem Helikopterunfall in Gabun hatte sie gänzlich ins Stocken gebracht. Daran dachte der 28-Jährige auch nach dem Ende seines Bewerbes: „Eine Zeit lang hat mich nichts mehr interessiert. So gesehen ist es mir völlig egal, dass ich die Medaille nicht geholt habe.“
Österreichische Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei den Olympischen Spielen siehe [alles lesen]