Benjamin Raich hat viele herausragende Eigenschaften. Eine davon ist seine verlässliche telefonische Erreichbarkeit. Doch selbst mehrere Stunden nach seinem historischen Super-G-Triumph in Crans-Montana war statt des strahlenden Siegers stets eine Schweizer Damenstimme zu hören, welche die Nichterreichbarkeit der angerufenen Nummer zu Protokoll gab. Vielleicht war Raichs Handy ob der massigen Glückwunsch-Anrufe und -SMS nur der Saft ausgegangen oder der Pitztaler hatte im Trubel der Schulterklopfer den Mobilfunk ganz einfach eine Weile abgedreht. Was immer letztlich der Fall war: Raich hatte dabei mit Sicherheit gelächelt. Von einem Ohr zum anderen.
Wie Stunden zuvor, als sein erster Super-G-Erfolg immer deutlichere Konturen annahm. Immer wieder blickte der mit Startnummer 16 ins Rennen gegangene Pitztaler auf die Piste, immer wieder schweifte sein Augenpaar über die Anzeigentafel, immer wieder wehrte der Führende voreilige Gratulationen ab, ehe der Dauergrinser letztlich seine Glückseligkeit doch gesichert in Worte packen konnte: „Gewaltig, ich bin überglücklich“, sprach er aus, was ohnedies jeder sehen konnte.
Und weil einige Tage später sein 34. Geburtstag anstand, redete er von einem verfrühten „traumhaften Geburtstagsgeschenk“. Letztlich verwies der Vortages-Dritte den Franzosen Adrien Théaux (+0,24 Sekunden) und den Sieger des ersten Rennens, Didier Cuche (+0,36), auf die Ehrenplätze, während Klaus Kröll (+0,43) mit dem unbedankten vierten Platz Vorlieb nehmen musste. Raich resümierte: „Die kritischen Stimmen waren schon in mir drin. Umso größer ist die Genugtuung.“
Auch wenn sich in der Saison nach seinem vor gut einem Jahr erlittenen Kreuzbandriss die großen Erfolge in überschaubaren Grenzen hielten, ging der Routinier weitgehend unbeirrt seinen Weg. Und stürzte sich – nicht immer nachvollziehbar – auch regelmäßig über die Abfahrtspisten. Spätestens seit diesem Triumph wusste man, warum. Und weil Raich mit seinem ersten Speed-Erfolg so richtig auf den Geschmack gekommen zu sein schien, kündigte er noch im Zielraum ein verstärktes Abfahrtstraining in Hinblick auf den nächsten WM-Winter an.
Auch wenn der Benni bis dato einen zehnten Rang (Kitzbühel 2006) als bestes Abfahrtsresultat vorweisen konnte, lebte der Traum von einem Abfahrtssieg. Sollte ihm auch das noch gelingen, würde er wie Günther Mader, Pirmin Zurbriggen, Marc Girardelli, Kjetil André Aamodt und Bode Miller zum erlauchten Kreis jener gehören, die in jeder der fünf Disziplinen zumindest einen Weltcup-Erfolg feiern konnten. Schön, dass selbst dem zweifachen Olympiasieger, dreifachen Weltmeister und Gesamtweltcup-Sieger von 2006 die Ziele niemals ausgehen. Auch mit bald 34 Jahren.