70 Jahre und kein bisschen leise


Kitzbühels Tennis jubelte über ein ausverkauftes Stadion beim Finale des Jubiläumsturniers. / Foto: GEPA

Vor einigen Monaten hatte Trainer Sepp Resnik den jungen Tennis-Star Dominic Thiem vor die Wahl gestellt. „Es gibt diejenigen, die nach dem Finale bei der Siegerehrung draußen auf der Bank sitzen und brav klatschen. Und dann gibt es diejenigen, die rausgehen und sich die Trophäe holen. Zu welcher Sorte möchtest du gehören, Dominic?“, hatte der 60-jährige Extremsportler im Training gefragt. Thiem hatte sich klar für Variante zwei entschieden, tief begründet in seinem Ehrgeiz – doch all das Wollen war im ersten ATP-Tour-Finale seiner Karriere nicht genug.

Und so blieb dem 20-Jährigen ausgerechnet in Kitzbühel beim siebzigsten Jubiläumsturnier nur der Beifall für seinen Bezwinger. „Ich ärgere mich extrem. Ich war zu Beginn des zweiten Satzes leider nicht fokussiert genug, hatte die Spannung verloren. Aber ich weiß nicht, wieso“, stöhnte Thiem enttäuscht, nachdem er kurz zuvor im Endspiel des bet-at-home Cups in Kitzbühel gegen den Belgier David Goffin 6:4, 1:6, 3:6 verloren hatte.

Thiem war stark gestartet, voller Selbstvertrauen übernahm er das Kommando – doch im zweiten Durchgang war beim Stand von 6:4, 1:2 Schluss. Österreichs Nummer 1 produzierte Fehler um Fehler, die sonst so starken Rückhand-Schläge waren weg, einige Male verfehlte Thiem sogar fast die Kugel. Sechs verlorene Games folgten, ehe er sich vor den frenetisch jubelnden 6300 Zuschauern noch einmal kurz aufraffte und auf 3:4 herankam.

Doch dann war der 23-jährige Goffin, der seinen ersten ATP-Tour-Titel mit seinem 20. Sieg in Folge fixierte, einen Schritt voraus – und Thiems Niederlage endgültig besiegelt. Auf dem Platz, allein inmitten all der Fans, versprach Thiem noch: „Ich hoffe, dass ich im nächsten Jahr den letzten Schritt setzen kann.“

Aber so sehr sich scheinbar Erklärungsnot breitmachte, so klar lag auch auf der Hand, dass die Müdigkeit tief in den Knochen saß nach der langen Saison und den zwei Spielen am Vortag (Viertel- und Halbfinale). Die Konzentration und der Aufschlag verdeutlichten das noch. „Das ist alles nicht spurlos vorbeigegangen. Ohne Publikum wäre ich komplett eingebrochen“, ergänzte Thiem, der dennoch Garant war für eine faszinierende Jubiläums-Tenniswoche in Kitzbühel.

Es waren viele emotionale und sportliche Wellentäler, die das ATP-Turnier in Kitzbühel über die Jahrzehnte geprägt hatten – doch der Tiefpunkt der bewegten Historie liegt nicht lange zurück. 2009 war’s. Der damalige Turnierdirektor und nunmehrige ÖTV-Präsident Ronnie Leitgeb zog sich nach nur einem Jahr samt Veranstaltungslizenz zurück. Und der Tennis-Klassiker, der zu Glanzzeiten mit einem Millionen-Dollar-Preisgeld gelockt, der Weltstars wie Pete Sampras, Ivan Lendl, Boris Becker, Thomas Muster oder Rekordsieger Guillermo Vilas angezogen hatte, war ohne Spielberechtigung. Und stand vor dem Aus.

Zurückgeblieben waren gegenseitige Schuldzuweisungen – und tiefe Gräben, die sich freilich schon in den Jahren zuvor gebildet hatten. Der wohl größte Fehler in der Klubgeschichte passierte aber 1998. Der Kitzbüheler Tennisclub (KTC) hatte die Turnierlizenz verkauft und stattdessen auf ein – kostspieliges – Mietgeschäft gesetzt. Ein fataler Fehler.

Kitzbühel war zwar vom kleinen Alpenländer-Pokal 1945 mit 25.000 US Dollar Preisgeld in die zweithöchste Kategorie aufgestiegen, wurde 2002 als bestorganisiertes Turnier der Kategorie „International Series Gold“ ausgezeichnet, aber die Kostenspirale hatte sich immer hochtouriger gedreht und war letztlich außer Kontrolle geraten. Wo es einst mit Turnierdirektor Hellmuth-Dieter Küchenmeister eine 50-jährige Konstante gegeben hatte, gaben sich seine Nachfolger quasi im Jahrestakt die Türklinke in die Hand.

Die unruhigen und von reichlich Störfeuern begleiteten Zeiten endeten erst 2011, als das US-Unternehmen Octagon seine Lizenz nach Kitzbühel vermietete und Alexander Antonitsch die Turnierleitung übernahm. Mit dem Alex kam Kontinuität und dies galt auch als Gebot der Stunde für die 70. Auflage.